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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 21.05.2008
Aktenzeichen: 9 WF 116/08
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 114
ZPO § 127 Abs. 2
BGB § 1612 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss

9 WF 116/08 Brandenburgisches Oberlandesgericht

In der Familiensache

hat der 1. Senat für Familiensachen des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 24. April 2008 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Oranienburg vom 18. März 2008 durch den Richter am Oberlandesgericht Götsche - als Einzelrichter -

am 21. Mai 2008

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe:

Die gemäß § 127 Abs. 2 ZPO statthafte und in zulässiger Weise eingelegte sofortige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Das Amtsgericht hat mit insgesamt zutreffenden Erwägungen die Erfolgsaussichten für die angestrebte Klage gemäß § 114 ZPO versagt.

1.

Zunächst ist daran festzuhalten, dass die Antragsgegnerin ihr Bestimmungsrecht gemäß § 1612 Abs. 2 BGB wirksam ausgeübt hat. Insoweit wird in allgemeiner Hinsicht zunächst auf den Beschluss des Senates vom 18. Oktober 2007 (Aktenzeichen: 9 WF 288/07) Bezug genommen. Dabei ist erneut zu betonen, dass dem Willen des volljährigen Kindes über die Art seiner Lebensführung keinesfalls eine stärkere Bedeutung als dem Gebot der Rücksichtnahme gegenüber den wirtschaftlichen Interessen des unterhaltspflichtigen Elternteils zukommt. An diesem Grundsatz ändert auch die Reform des Unterhaltsrechtes, in Kraft getreten zum 1. Januar 2008, und die damit verbundene Änderung der Regelung des § 1612 Abs. 2 BGB nichts. Die Belange des Kindes haben daher nur in Ausnahmefällen dann Vorrang, soweit schwerwiegende Gründe vorhanden sind, die ein Zusammenleben mit dem Elternteil bzw. die sonstige Annahme der durch das Bestimmungsrecht vorgegebenen Entgegennahme des Unterhaltes entgegenstehen. In Zweifelsfällen ist daher das Bestimmungsrecht als wirksam ausgeübt zu betrachten, die vollständige Darlegungs- und Beweislast für einen gegenteilige Ansicht trägt das volljährige unterhaltsberechtigte Kind (vgl. insgesamt m. Nachweisen Götsche, FamRB 2008, 83 f.).

Unter Beachtung dessen kann nicht festgestellt werden, dass ein tiefgreifendes Zerwürfnis - welches nach dem hiesigen Sachvortrag allein den Vorrang der kindlichen Belange rechtfertigen würde - zwischen der Antragstellerin und der Antragsgegnerin besteht. Dass die Antragstellerin auch aus Sicht ihrer beruflichen Ausbildung kritisch gegenüber den Erziehungsmethoden ihrer Mutter (der Antragsgegnerin) betreffs der Geschwister eingestellt ist, genügt erkennbar nicht, um ein schwerwiegendes Zerwürfnis rechtfertigen zu können. Auch der von der Antragstellerin mit der Antragsgegnerin geschilderte Streit, der Anlass für den Auszug bildete, reicht erkennbar nicht. Derartige Streitigkeiten zwischen Kindern und Eltern kommen nahezu in jeglichem familiären Verhältnis vor und rechtfertigen allein ebenfalls nicht die Vorrangigkeit der Belange des Kindes. Gerade auf Grund des familiären Zusammenlebens ist jedes Mitglied der Familie gehalten, derartige Konflikte mit auszutragen und möglichst einer Einigung zwischen allen Beteiligten zuzuführen. Konflikte in zwischenmenschlichen Beziehungen sind ein natürlicher Bestandteil menschlicher Existenz und können deshalb nur in gravierenden Ausnahmefällen dazu führen, dass ein Zusammenleben nicht mehr möglich erscheint. Dies hat das Amtsgericht zu Recht ausgeführt, die daran geäußerte Kritik der Antragstellerin im Rahmen ihrer Beschwerdebegründung ist gänzlich unverständlich.

Dass insoweit auch möglicherweise unangemessene Äußerungen seitens der Beteiligten, so seitens der Antragsgegnerin, wie von der Antragstellerin behauptet, gefallen sind (gemeint ist hier die Bemerkung "Balg", vgl. Seite 6 der Antragschrift), belastet zwar das gegenseitige Verhältnis erheblich, rechtfertigt von sich aus aber nicht bereits die Annahme einer gänzlichen Zerrüttung. Erst Recht spricht dagegen, dass jedenfalls die Antragsgegnerin nachfolgend sich insoweit kompromissbereit bezeichnet hat, dass sie der Antragstellerin die Mitnahme von Möbeln und sonstigen Gegenständen zumindest teilweise ermöglicht hat. Auch aus dem weiteren Schriftverkehr zwischen den Parteien ist nicht erkennbar, dass das Verhältnis betreffs eines weiteren Zusammenlebens tiefgreifend zerstört ist.

2.

Bedenken hat der wirksamen Ausübung des Bestimmungsrechts folgen auch nicht daraus, dass nach dem Auszug der Antragstellerin die Antragsgegnerin ihr allein angeboten hat, dass sie jederzeit wieder bei ihr wohnen und ihr Zimmer beziehen könne. Zwar ist der Kritik der Antragstellerin in ihrer Beschwerdebegründung dahin zuzustimmen, dass das bloße Angebot von Kost und Logie nicht ausreicht, um das elterliche Bestimmungsrecht wirksam auszuüben; vielmehr ist es erforderlich, dass umfassend dargestellt wird, wie der gesamte Bedarf des volljährigen Kindes gedeckt werden soll. In diesem Zusammenhang übersieht die Antragstellerin aber völlig, dass gemäß den Ausführungen des Senates aus dem Beschluss vom 18. Oktober 2007 das Bestimmungsrecht bereits vor dem Auszug der Antragstellerin wirksam ausgeübt war. In dem vorgenannten Beschluss ist ausgeführt worden, dass eine verbindende Übereinkunft der Eltern betreffs des elterlichen Bestimmungsrechtes dergestalt zustande gekommen ist, dass die Antragsgegnerin die Antragstellerin in ihrem Haushalt versorgt. Damit bedarf es keiner weiteren Erklärungen der Antragsgegnerin dazu, wie sie sich im Einzelnen die Versorgung der Antragstellerin in ihrem Haushalt zukünftig vorstellt. Es ist für jeden Beteiligten nachvollziehbar, dass der vorherige Zustand fortgeführt werden soll; weitergehende Erklärungen der Antragsgegnerin sind dazu nicht zu fordern. Erst recht gilt dies unter Berücksichtigung dessen, dass jedenfalls nach derzeitigem Sachstand die Antragstellerin ohne im Sinne des §§ 1612 Abs. 2 BGB rechtfertigende Gründe den Haushalt der Antragsgegnerin verlassen hat. Es wäre bloßer Formalismus, wenn man sodann von der Antragsgegnerin eine umfassende Erklärung zur Sicherstellung des kindlichen Bedarfes für die Fortführung des vorherigen Zustandes fordern würde. Die entsprechenden Ausführungen der Antragstellerin sind daher gänzlich unverständlich.

3.

Soweit die Antragstellerin die Auffassung vertritt, in einem Prozesskostenhilfeverfahren sei auf Grund einer summarischen Prüfung keine abschließende Beurteilung der Sache vorzunehmen, ist dem zwar im Grundsatz zuzustimmen. Jedoch bedarf es zunächst eines schlüssigen Vortrages der antragstellenden Partei betreffs des von ihr geltend gemachten Anspruches. Dieser fehlt erkennbar, wie aus den vorangestellten Ausführungen hervorgeht. Im Übrigen sei darauf hingewiesen, dass es nicht Sache der Allgemeinheit ist, einer Partei jeglichen, auch einen aussichtslosen Prozess zu finanzieren. Insoweit ist der Richter auch nicht gehalten, sich auf eine summarische Prüfung zu beschränken; es vielmehr durchaus befugt, die Sach- und Rechtslage - soweit sie vorgetragen ist - eingehend zu prüfen und einer sachgerechten Beurteilung zuzuführen. Allenfalls soweit Fragen der Beweiswürdigung im Raume stehen, hat sich der Richter insoweit auf Grund des regelmäßig offen stehenden Ergebnisses mit seiner Beurteilung zurückzuhalten. Eine solche Problematik besteht hier angesichts des unschlüssigen klägerischen Vortrages aber nicht.

4.

Soweit das Amtsgericht bislang nicht über den gestellten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung entschieden hat, ist der Antragstellerin zwar darin zuzustimmen, dass die Bescheidung eines Eilantrages regelmäßig einer beschleunigten Sachentscheidung bedarf. Erst recht wäre dies hier aufgrund des ausdrücklichen Antrags der Antragsstellerin wünschenswert gewesen. Da das Amtsgericht aber hier in der Sache keine Erfolgsaussichten zuerkannt hat, nimmt bereits diese Einschätzung dem Eilantrag seine Eilbedürftigkeit, weshalb dies hier letztendlich dahinstehen mag.

5.

In der Sache sei noch auf folgendes hingewiesen:

a.

Sollte die Antragstellerin einen Barunterhaltsanspruch gegenüber der Antragsgegnerin schlüssig darstellen, ist zu beachten, dass seit dem 1. Januar 2008 das Unterhaltsrecht reformiert worden ist. Dies betrifft insbesondere auch die Kindergeldanrechnung, die in allen Stufen der Ermittlung eines Unterhaltsanspruches nunmehr bedarfsdeckende Wirkung entfaltet.

b.

Darüber hinaus dürfte es sich bei dem Schulgeld von 60 € nicht um einen Mehrbedarf handeln, da es am Tatbestandsmerkmal einer außergewöhnlich hohen Belastung fehlen dürfte (vgl. auch BGH, Urt. v. 05.03.2008 - XII ZR 150/05) und im Festbedarf von 640 € üblicherweise anfallende Ausbildungskosten enthalten sind (Ziff. 13.1 Abs. 3 der Leitlinien des OLG Brandenburg zum Unterhaltsrecht).

Ende der Entscheidung

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